„Augusts Afrika – Afrika in Sachsen, Sachsen in Afrika im 18. Jahrhundert“

09.06.2022

Ab 10. Juni thematisiert Schloss Moritzburg in einer Sonderausstellung die Faszination des Sächsischen Kurfürsten für den afrikanischen Kontinent.

Medieninformation

August der Starke ist von Afrika fasziniert. Er sammelt Afrikanisches, feiert „afrikanische“ Feste, schlüpft in die Rolle afrikanischer Herrscher und umgibt sich mit schwarzen Dienern und Musikanten. Dabei entsteht am Dresdner Hof ein ganz und gar fiktives „Afrika“. Um das reale Afrika zu erkunden, entsendet August 1731 eine der frühesten wissenschaftlichen Expeditionen in den Norden des Kontinents. Aus dem Sachsen Augusts und seines Sohnes ziehen auch Herrnhuter Prediger aus, um die ersten Missionsstationen im südlichen Afrika zu errichten. Und dort am Kap der Guten Hoffnung suchen zeitgleich zahlreiche sächsische Auswanderer ihr Glück. All diese Geschichten erzählt die Sonderausstellung Augusts Afrika – Afrika in Sachsen, Sachsen in Afrika im 18. Jahrhundert“.

Afrika in Sachsen

Die Pläne Augusts des Starken, selbst afrikanische Kolonien zu erwerben, scheitern. Die nach Afrika geschickte wissenschaftliche Expedition kehrt erst nach seinem Tod zurück. Augusts Afrika ist deshalb vor allem eine fantasievolle Inszenierung, eine höfische Fiktion, eine karnevaleske Machtdemonstration, Authentizität ist weniger gefragt. Hemmungslos vermengt man fremdartige Elemente verschiedener Kulturen zu einem fiktiven Bild. In Festen, mit Aufzügen und Verkleidungen, mit schwarzen Dienern und Musikanten erschafft sich August der Starke sein eigenes Afrika – fernab der brutalen kolonialen Realität, und doch mit dieser verbunden: Denn die meisten der von August an den Hof geholten Schwarzen sind dereinst als Sklaven verschleppt worden.

Sachsen in Afrika

Ausgerechnet das Sachsen Augusts des Starken wird zum Ausgangspunkt zweier außerordentlicher Unternehmungen in Afrika. 1731 entsendet der Kurfürst und König selbst eine wissenschaftliche Expedition, die Afrika erforschen, Materialien sammeln und wilde Tiere nach Sachsen bringen soll. Es handelt sich um die erste wissenschaftliche Forschungsreise aus Europa nach Afrika überhaupt!

Erstaunlich sind auch die Missionsreisen der Herrnhuter Prediger, die seit 1732 von Sachsen aus in die Welt ziehen. Schon 1737 reist Georg Schmidt nach Südafrika. Er wird dort nicht nur die erste Missionsstation südlich der Sahara errichten, sondern auch die Gleichwertigkeit aller bekehrten „Brüder“ und „Schwestern“ predigen – eine Vorstellung, die der kolonialen Praxis der Zeit entschieden zuwiderläuft. Hunderte Sachsen schließlich wandern seit dem 17. Jahrhundert tief in den Süden Afrikas aus. Vom Rinderhirten auf Robben Island, über den Sklavenwächter bis zum Kommandanten der Kapkolonie reichen ihre Karrieren. Auch sie tragen ein Stück Sachsen nach Afrika.

Interventionen

Einen Perspektivwechsel erfährt die Ausstellung durch zwei Women of Color, die selbstständig und völlig unabhängig ihren Blick auf die Themen und Exponate richten. Die beiden Politik-wissenschaftlerinnen und Aktivistinnen haben gemeinsam mit zwei Leipziger Gestalterinnen Interventionen entworfen, um die Ausstellung und ihre Objekte vor dem Hintergrund einer kolonialismuskritischen Sicht zu kommentieren. Dass sie dabei mitunter zu ganz anderen Bewertungen kommen, liegt auf der Hand und war Sinn der Sache. Die manchmal sehr gegensätzlichen Auffassungen stehen sich in der Ausstellung unvermittelt gegenüber und zwingen die Gäste zu Reflexion und Stellungnahme.

YJ ist eine Person of Color aus Frankreich, Politikwissenschaftlerin, Forscherin und arbeitet im Bereich Peacebuilding und Konflikttransformation. Sie hat einen Master-Abschluss in Internationalen Beziehungen (TU Dresden) und Gender, Violence and Conflict Studies (University of Sussex). Ihre Themenschwerpunkte sind Intersektionaler Feminismus, Anti-Rassismus, Post- und Dekolonialismus.

Karimé Maria Diallo, Afrodeutsche, BA Politikwissenschaft & Öffentliches Recht (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg), MA Internationale Beziehungen (TU Dresden), arbeitet als Politikmanagerin, Trainerin, Speakerin und freie Dozentin. Ihre Themenschwerpunkte sind Post- und Dekolonialsmus, Menschenrechte, Anti-Rassismus, soziale Gerechtigkeit.

Beide sind Mitbegründerinnen der unabhängigen antirassistischen und intersektionalen feministischen Plattform inter*kollektiv.

Forschung und Begleitband

Die Ausstellung stützt sich auf umfangreiche neuere Forschungen, insbesondere zu den Schwarzen am Dresdner Hof und den sächsischen Auswanderern. Erstmals wurden dafür serielle Quellen systematisch durchgesehen, mit eindrucksvollen Befunden: Am Hof der Kurfürsten von Sachsen lassen sich jetzt zwischen 1602 und 1770 insgesamt über 80 Menschen schwarzer Hautfarbe nachweisen! Diese Dimensionen schwarzen Lebens im Sachsen des 18. Jahrhunderts waren bisher ebenso unbekannt wie der Anteil mitteldeutscher Auswanderer im südlichen Afrika: Fast 200 junge, unverheiratete Männer aus allen Teilen Sachsens siedelten sich im 17. und 18. Jahrhundert in der Kapkolonie an.

Die Ergebnisse dieser Forschungen und mehr sind in einem gut ausgestattetem 150-seitigen Begleitband dokumentiert, der parallel im Via Regia Verlag erschienen ist (Preis: 15 Euro).

 

Vom 10. Juni bis zum 31. Oktober 2022 können Besucher die Sonderausstellung täglich in der Zeit von 10:00 bis 18:00 Uhr (letzter Einlass 16:30 Uhr) besichtigen.

Die Kosten sind im regulären Eintrittspreis inbegriffen.

 

www.schloss-moritzburg.de    

www.schloesserland-sachsen.de

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