Katharina v. Bora - Symbol für die Unterordnung? - eine STARKE FRAUENgeschichte 1.Halbzeit

23.07.2014

nach der ersten Hälfte der Laufzeit von „eine STARKE FRAUENgeschichte – 500 Jahre Reformation“ wagen die Kuratoren der Ausstellung, Dr. Simona Schellenberger und Dr. Dirk Welich einen kühnen Versuch: sie rücken Katharina von Bora ins rechte Licht und entlarven den Kult um Katharina als solchen. In einem Interview sprechen beide über Konstruktion und Idealbild einer vermeintlich starken Frau.Aktuell besuchten etwa 18.000 Gäste die Sonderausstellung auf Schloss Rochlitz. Insgesamt waren etwa 24.000 Menschen in der ersten Jahreshälfte 2014 auf Schloss Rochlitz.

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach der ersten Hälfte der Laufzeit von »eine STARKE FRAUENgeschichte – 500 Jahre Reformation« wagen die Kuratoren der Ausstellung, Dr. Simona Schellenberger und Dr. Dirk Welich einen kühnen Versuch: sie rücken Katharina von Bora ins rechte Licht und entlarven den Kult um Katharina als solchen. In einem Interview sprechen beide über Konstruktion und Idealbild einer vermeintlich starken Frau.

Aktuell besuchten etwa 18.000 Gäste die Sonderausstellung auf Schloss Rochlitz. Insgesamt waren etwa 24.000 Menschen in der ersten Jahreshälfte 2014 auf Schloss Rochlitz.

Katharina von Bora - Symbol für die Unterordnung?

Interview mit den Kuratoren der Ausstellung »eine STARKE FRAUENgeschichte – 500 Jahre Reformation« Katharina von Bora - Eine starke, selbstständige Frau und Reformatorin oder doch nicht mehr als eine fähige Hausfrau, die ihrem Mann den Rücken frei hielt? Die Kuratoren der Ausstellung »eine STARKE FRAUENgeschichte – 500 Jahre Reformation« Dr. Simona Schellenberger und Dr. Dirk Welich korrigieren das Bild der Lutherin, die bis heute als Symbol für die weibliche Seite der Reformation gefeiert wird.

Der Kult um Katharina von Bora fand in den vergangenen Wochen wieder seinen Höhepunkt unter anderem beim Katharina-Tag in Torgau (Sachsen). Beinahe Mantra-artig wird auf Katharina als Symbol der starken Frau in der Reformationszeit hingewiesen. Zu Unrecht? Die Kuratoren der Ausstellung »eine STARKE FRAUENgeschichte – 500 Jahre Reformation« Dr. Simona Schellenberger und Dr. Dirk Welich wagen im Interview die Relativierung.

Beim Thema „Frauen in der Reformationszeit“ denkt jeder automatisch an Katharina von Bora. In Ihrer Ausstellung bekommt sie aber relativ wenig Platz, warum ist das so?

Dr. Schellenberger: Das stimmt nicht, denn sie bekommt in der Ausstellung Raum, sogar einen eigenen – in der Sakristei.

Wofür steht Katharina von Bora heute?

Dr. Welich: Sie steht für eine Frau an der Seite ihres Mannes. Eine Frau, die sich im Dienst einer Sache versteht, aber eben einer Männersache. K. v. B. steht im Kern für die Unterordnung, für das derzeit gesellschaftlich anerkannte Bild. Nur zur Verdeutlichung, noch immer hält die Gesellschaft zum Beispiel typische Frauenberufe klein, in dem sie gerade diese Berufszweige deutlich schlechter entlohnt. Die Gesellschaft sieht die Frau als Mutter und Hausfrau. Diese Reduzierung in der Rollenzuweisung ist ein Eingriff in die Selbstbestimmung von Frauen. Das mag altbekannt und abgedroschen klingen. Es ist aber aktueller denn je, weil man/frau die dahin gehenden Errungenschaften unserer modernen Gesellschaft im Verhältnis sehen muss und da scheint es eher einen Rückschritt zu geben. Wenn heute K. v. B., von wem auch immer, beispielgebend angeführt wird, vorbildlich sozusagen, dann immer als Konstrukt seiner Interessen. Wofür sie steht, ist letztlich wandelbar, weil interpretierbar.

Was bedeutet in diesem Falle „Konstrukt“?

Dr. Welich: Zuerst einmal muss man sagen, dass das uns zur Verfügung stehende biografische Quellenmaterial zu K. v. B. sehr begrenzt ist und nur wenige sichere Aussagen erlaubt. Dagegen hat sich ein vielfältiges Material im Zuge der Rezeption ihrer Person angesammelt, nur ist eben dieses nicht geeignet, eine biografische Wirklichkeit zu rekonstruieren. Im Umkehrschluss heißt dies, der Großteil dessen, was über die Jahrhunderte zu K. v. B. erarbeitet worden ist, ist eine Konstruktion. Und zwar eine Konstruktion aus der Perspektive der Verfasser und deren zeitgeschichtliche Denkmuster. Spannend ist nun daran, dass diese Konstruktionen uns zwar nicht mehr über K. v. B. verraten, aber dafür über die jeweilige Gesellschaft, in der sie entstanden sind.

Dr. Schellenberger: Die Frage, die die Ausstellung bei allen vorgestellten Frauen stellt, nämlich die nach der Art und Weise des Überlieferten, nach dem Bild, das die Geschichtsschreiber von ihnen vermitteln, das sich in uns formt, führte bei K. v. B. zum „Katharina-Modell“. Es verweist auf die wechselnden und vom jeweiligen zeittypischen Frauenbild abhängigen Werte, die an sie geknüpft werden. K. v. B. als Vehikel vorbildlichen weiblichen Daseins….

War Katharina von Bora – nachdem was wir von ihr wissen – eine STARKE FRAU im Sinne der Ausstellung auf Schloss Rochlitz?

Dr. Welich: Was man sagen kann, ist, dass K. v. B. in einer Zeit, in der das Leben ohnehin ungemein hart war und in der sich zudem verlässliche Bedingungen gesellschaftlichen Zusammenlebens oder einfach auch probate Lebensmodelle auflösten, es vermocht hat, sich zu behaupten, anzupassen und zu überleben. Insofern war sie eine starke Frau, auch wenn sie ihre Bekanntheit als historische Persönlichkeit Luther verdankt.

Welche Rolle spielte sie denn nun in der Zeit der Reformation und wie groß war ihre Bedeutung im Vergleich zu bspw. Elisabeth von Rochlitz oder einigen anderen Damen, die wir in Ihrer Ausstellung kennenlernen?

Dr. Welich: Sie spielte im wahrsten Wortsinn die kongeniale Partnerin von Luther, als eine Geistliche, die einen Geistlichen heiratet. Zusammen verkörpern sie die lutherische Lehre. Sie sind sozusagen das Vorzeigepaar. Entsprechend häufig und in verschiedenen Medien wurde das Paar auch „vermarktet“. Damit war sie eine Botschafterin der Reformation und natürlich hat sie die Reformation mittelbar befördert, in dem sie ihren Mann, wie frau heute sagen würde, den Rücken frei gehalten hat, damit er ungehindert arbeiten und, auch im heutigen Sinne, Karriere machen konnte. Auch dieses Bild ist, wie schon oben erwähnt, ein stigmatisierendes, denn über die Aussagen von Zeitzeugen wissen wir ja zum Beispiel auch, dass sie eine fähige Ökonomia gewesen sein muss, die die Finanzen des Hauses genau im Blick hatte. Sie erfüllte damit eine tragende Funktion in der Ehe. Dass die heutige Gesellschaft diese Aufgabe wertet und damit der Hausfrauenstand einerseits verteufelt und andererseits idealisiert wird, ist eine andere Frage. Ungeachtet dessen liegt ja aber der Fokus in der Ausstellung auf dem Handeln aus Überzeugung. Wir stellen Frauen vor, die aktiv geworden sind, gleich ob für oder gegen die Reformation, und zwar auf einem Gebiet, das ihnen die Gesellschaft bis dahin nicht zugesprochen hatte. So gesehen erfüllt sie natürlich als Frau Luthers die neue Frauenrolle, die die Reformation u. a. den Nonnen zuteilt, nach dem diese durch die Auflösung der Klöster ihre Existenzgrundlage verloren hatten.

Was meinen Sie, warum hat sich aber nun gerade der Name Katharina von Bora als wichtige Frauenpersönlichkeit aus der Reformationszeit so hartnäckig erhalten?

Dr. Welich: Weil diese weibliche „Heldin“ immer wieder Geschichtsbilder evoziert und damit Geschichte gemacht hat, und zwar in einer Weise, die mit ihr als Person nicht viel, bis gar nichts zu tun hat. Die historische Person K. v. B. besitzt ein hohes Interpretationspotenzial und das macht sie attraktiv, egal ob als Vor- oder Feindbild.

Geschichtsschreibung scheint ja tatsächlich stark abhängig von den aktuellen Bedingungen zu sein. Können wir unserem kollektiven Gedächtnis noch trauen?

Dr. Welich: Diesem Gedächtnis konnte man noch nie trauen. Die kollektive Erinnerung ist ja per se der „Wirklichkeit“ nicht näher als die individuelle. Aber andererseits haben wir auch keine andere Chance, als unserer eigenen Geschichtsschreibung zu glauben, wir haben keine andere. Was wir aber können, ist, zu reflektieren und sich der subjektiven Sicht bewusst sein und, man kann die Mittel der Wissenschaft so streng als möglich anwenden, um dem subjektiv konstruierten Zerrbild wenig Raum zu lassen.

Jedes Jahr werden immer wieder zahlreiche Katharina-Gedächtnis-Veranstaltungen zelebriert, bspw. der „Katharina-Tag“ in Torgau, was denken Sie dann?

Dr. Schellenberger: Eigentlich eine gute Gelegenheit für weiter reichende Reflektionen. Und: woher dieses Vergnügen an ahistorischen Rollenspielen? Gibt es eigentlich ein Luther- Verkleidungsfest oder einen Luther-Preisträger?

 

Die aktuelle Sonderausstellung „eine STARKE FRAUENgeschichte – 500 Jahre Reformation“ auf Schloss Rochlitz veranschaulicht das Leben und Wirken der Reformationsfürstin Elisabeth von Rochlitz und anderer mutiger Frauen aus dieser Zeit. Die Ausstellung möchte dabei das gängige Bild der Reformation als einem vor allem männlichen Ereignis aufbrechen und Fehlstellen in der deutschen Erinnerungskultur korrigieren. Neben Katharina von Bora und der Reformationsfürstin Elisabeth von Calenberg-Göttingen werden auch völlig unbekannte Streiterinnen der Reformation wie Ursula Weyda, Wibrandis Rosenblatt oder Katharina Zell vorgestellt. Mit über dreihundert herausragenden Exponaten von nationalen und internationalen Leihgebern, verteilt auf circa eintausend Quadratmetern, dokumentiert die Ausstellung erstmals in dieser Form weibliche Lebenswege und Lebenswelten des 16. Jahrhunderts.

Mehr Informationen unter: www.schloss-rochlitz.de  

sowie im Pressebereich von Schlösserland Sachsen unter: http://www.schloesserland-sachsen.de/de/news_presse/pr_unterlagen/  

Fotos und aktuelle Pressebilder zur Ausstellung finden Sie unter: http://www.schloesserland-sachsen.de/de/news_presse/fotogalerie_top_themen/?no_cache=1  

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Cranach Kupferstichkabinett-Museen Berlin
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eine STARKE FRAUENgeschichte - Elisabeth von Rochlitz - Museum Schloss Wilhelmsburg Schmalkalden
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eine STARKE FRAUENgeschichte - Schloss Rochlitz
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Eröffnung STARKE FRAUEN Rochlitz Kaessmann Clauss Arndt
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Exponatetausch bei STARKEN FRAUEN
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Restaurierungsstudentin Carolin Pult Judith-Gemaelde 16.Jh
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